HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

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Südostasiatische Notizen

An diesem Punkt möchte ich auf meine SOAN 5 vom September 2014 hinweisen, in denen ich berichtete, dass die damalige Staatssekretärin im Bildungsministerium sich nicht nur für einen ‚Gute-Taten-Pass’ für Schülerinnen und Schüler an höheren Schulen einsetzte, sondern sich auch für die ‚Umschreibung der in Thailändischen Schulen verwandten Geschichtsbücher’ stark machte (sie wollte damals, dass der Name des ehemaligen Premierministers Thaksin Shinawatra gestrichen wird).
Apichatpong ist in der Mitte des Isaan aufgewachsen, hat hier ‚Laufen’ und ‚Sehen’ gelernt und kehrt wohl nicht nur aus diesem Grunde immer wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Für ihn ist der Isaan mehr als nur Heimat, wenn er sagt: „Im Isan bekommt man deutlich mit, wie das System funktioniert. Weil man etwas über bestimmte Ereignisse weiß, die Gewalt, die es in der Vergangenheit gab. Und das hat alles mit den Amerikanern, mit Bangkok, mit dem Kalten Krieg zu tun. Es hängt alles zusammen. Wenn man zu Hause schaut, beginnt man andere Bilder zu sehen, größere Bilder. Ich weiß nicht, ich glaube, es geht nicht um die Beantwortung von irgendwelchen Fragen. Es gibt keine Wahrheit.
Filme zu machen ist eine sehr angenehme Art zu sehen und zu lernen, Zugang zu unterschiedlichen Informationsquellen und Stimmen zu kommen.“
(TIP a.a.O.)

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Plakat zum Film: ‚Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben’

Er sagt über sich selbst, dass er kein (politischer) Aktivist sei. Er richtet sich in erster Linie nach dem ‚Bauchgefühl’ und seinem ‚Spaß’ und seiner Lust Filme zu inszenieren. Der Spaßfaktor spielt eine wichtige Triebfeder seines Schaffens. Sein Ausdrucksmittel ist die Kunst des Films, die Lust, ‚Gefühltes’ in Szene zu setzen.
Vor vier Jahren, so fragte ihn der Interviewer der TIP-Zeitung habe er in einem Interview geäußert, dass sich Thailand anfühle ‚wie ein sinkendes Schiff, doch das Schiff sei sehr bequem, in ihm gebe es viel Essen und Musik und die Menschen feiern Partys’. Er habe damals das Gefühl gehabt, dass er nicht wisse, ob es einen Weg gäbe, das ‚nichtdemokratische System aus dem Weg zu räumen’. Das gelte auch heute weiterhin so, bei der Betrachtung des ,politischen Theaters’ in Thailand.
„Ich denke, dass die Leute im tiefsten Inneren wissen, dass das ein Witz ist. Jedenfalls in Chiang Mai, wo ich lebe, wissen die Leute und die Dorfbewohner es. Sie haben die Nase voll vom Militär und seinen Plänen, der Idee von pracha-niyom (Populismus) und allem.“ (TIP a.a.O.)
Er kommt dann auf die Begebenheiten um den 14. Oktober 1973 zu sprechen. Es sei ein Datum und eine Begebenheit, das in den Geschichtsbüchern in Schulen nicht erwähnt wird. Zur Erläuterung: es ist der Volksaufstand in Thailand, der zum Sturz des autoritären Ministerpräsidenten Thanom Kittikachorn führte. Dieser hatte zu Beginn des Vietnamkriegs den kriegsführenden US-Amerikanern erlaubt, Air-Basen in Thailand zu bauen (ab 1965), die es den 40.000 GIs ermöglichten, Nordvietnam, Laos und Kambodscha von diesen Stützpunkten aus anzufliegen und zu bombardieren, um auf diese Weise ‚die Demokratie’ zu verteidigen. Die damaligen militärischen und nationalistisch-gesinnten politischen Machthaber versuchten die Revolte mit militärischer Gewalt niederzuringen. Sie sollen ünterstutzt worden sein durch bezahlte CIA-Söldner, die damals auf Demonstranten geschossen haben?! Dabei starben nach offiziellen Angaben 77 Menschen, 857 wurden verletzt. Viele weitere sind seither verschwunden, ihre Leichen wurden nie gefunden. Am Abend des 14. Oktober trat Thanom auf Drängen des neuen Oberkommandierenden des Heeres Krit Sivara und des Königs Bhumibol Adulyadej zurück, woraufhin die Gewalt endete. Es war gleichzeitig das Ende einer 15-jährigen Militärdiktatur in Thailand. (Siehe auch: Wikipedia.)
Dieser Aufstand war der Startschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung, nach der dann eine parlamentarische Demokratie ‚installiert’ wurde, die aber nicht zur gewünschten Stabilität demokratischer Strukturen im Lande führte und letztlich zum Massaker an Studenten der Thammasat-Universität in Bangkok am 6. Oktober 1976 führte. Bei diesem gewaltsamen Überfall von Sicherheitskräften und rechtsgerichteten Bürgerwehren auf linke Studenten und Demonstranten auf dem Campus der Universität soll es – nach inoffiziellen Angaben – über hundert Tote, unzählige Verletzte und tausende Verhafteter gegeben haben. Es war der Auftakt eines weiteren Putsches des Militärs, der diese nicht einmal dreijährige Phase parlamentarischer Demokratie in Thailand beendete. (Siehe auch: Wikipedia.)

Über all das wird in Thailand heute – wenn überhaupt – nur noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen.

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Filmszene aus: ‚Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben’

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