HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

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Südostasiatische Notizen

Die nächtliche Szene war gespenstisch beleuchtet von Scheinwerfern und mehr als einem Dutzend head-set-Lampen, die die Erntehelfer am Kopf trugen. Im Zentrum des Geschehens ein vor sich hin lärmendes Ungetüm, von einem Dieselmotor betrieben: der Mähdrescher. Ich fühlte mich an den Film ,1900’ von Giuseppe Bertolucci erinnert. 1976 gedreht, spielt er in den Jahren 1900 bis nach dem 2. Weltkrieg auf einem Gutshof in der norditalienischen Region Emilia-Romagna im Italien der Großgrundbesitzer und der fast leibeigenen Bauern. Auch hier stand eine gewaltige Dreschmaschine, ein tösendes Ungeheuer mit freiliegenden Transmissionsriemen zum Antrieb der Maschine, im Zentrum.

Ähnlich wie in dem Film wurde nun mitten auf freiem Felde unter sternenklarem Nachthimmel, vielen Lichtern, einigen Scheinwerfern und mit einer (besser abgeschirmten) Höllenmaschine der Reis vom Halm getrennt, in Kunststoff-Säcke verpackt und von den Erntehelfern sofort verschnürt. Ein bereitstehender Pritschenwagen mit vorgespannter Zugmaschine stand für den Abtransport zur Verfügung – nicht ausreichend für den Ernteertrag von über 130 Säcken, so dass auch mein Reise- und Transport Pick-up mit ca. 30 Säcken beladen werden musste. Insgesamt wurden zu dieser späten Stunde in ca. 2 ½ Stunden über drei Tonnen Reis gedroschen.

Die Spreu des gedroschenen Reises türmte sich rund acht bis zehn Meter hoch neben nun abgeernteten Reisfeldern. Über holprige Feldwege ging’s dann zurück nach Ban Poon, um die Säcke auf dem Hof der Wongkhens, hauptsächlich im jung khao, dem Vorratshaus, zu lagern. Ein ‚Hot-Pot’-Essen mit allen Erntehelfern beschloss diesen nächtlichen Ernteeinsatz.

Das Projekt Kunst-Workshop am Mekong (s. SOAN 7) wurde wegen der hinausgezögerten Reisernte und einer plötzlichen Krankheit der Kunstlehrerin On, mit der ich zusammen den Workshop gestalten wollte, immer unwahrscheinlicher.

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Anfang Juni, als wir uns das erste Mal trafen: On, Mon und Rei.

Ich kannte weder die Lerngruppe und ihre Vorkenntnisse noch den Ort des Geschehens und ohne Rei als Dolmetscherin waren die Vorbereitung des Vorhabens und die Durchführung des Unterrichts nicht möglich. On versteht kaum ein Wort Englisch, fast das gleiche gilt für meine Thaikenntnisse. Ohne Absprachen und Planung ‚ins kalte Wasser’ zu springen, wollte ich nicht riskieren.

Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen verabredeten wir die Verlegung unseres Workshops auf Anfang des kommenden Jahres im Februar oder März (noch vor der Regenzeit und der ‚großen Hitze’ im April/ Mai).
Später erfuhr ich, dass der gamagan (Schulrat) dem ohne meine Beteiligung durchgeführten Unterricht unangemeldet einen Besuch abgestattet hatte. On war über unsere neue Planung ganz froh, denn sie hatte die Schulleitung über unser Vorhaben nur knapp in Kenntnis gesetzt – und wäre nun dem Schulrat gegenüber etwas in Erklärungsnot geraten!

Somit fuhren wir also nicht an den Mekong, sondern ich traf stattdessen Vorbereitungen für das deutsche Botschaftsfest zum 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer in Vientiane/Laos. Dazu suchte ich ein Kostüm- und Hochzeitsbekleidungsgeschäft in Udon Thani auf und entlieh einen dunklen Anzug, einen dunkelroten Schlips und ein weißes langärmliges Hemd (hatte alles drei Tage zuvor mit Heinz in Udon schon in Augenschein genommen!).

Mit dieser ‚Verkleidung’ im Koffer machten Rei und ich uns am Mittwoch, den 26. November auf nach Laos in die Landeshauptstadt und den Regierungssitz Vientiane.

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