HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

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Südostasiatische Notizen

Tags darauf verabschiedeten wir uns voneinander bei einem gemeinsamen Frühstück in unserem Häuschen in Ban Phue.

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Beim deutschen Abschiedsfrühstück am 11.11. (kurz vor Beginn des Karnevals, auf den sich der Kölner Micha [rechts in der Mitte] besonders freut!)

In der dritten Novemberwoche beginnt Carolin Genreith in Deutschland mit dem Schnitt und der aufwändigen Vertonung ihres Films – gemäß dem Konzept, dass bei einer Dokumentationsarbeit im Nachhinein durchaus noch verändert und verifiziert werden kann und muss. Der Film soll im Spätsommer oder Herbst in die Kinos kommen und später im WDR, möglicherweise auch im Abendfernsehprogramm des ,Ersten’ laufen.

Vernachlässigt habe ich in den letzten Monaten meine Anmerkungen zum politischen Geschehen in Thailand und besonders hier im Nordosten.
In der letzten Zeit waren mir in der hiesigen deutschen Presse immer wieder Artikel zur Stimmung und zum Leben hier im Isaan aufgefallen.
In der jüngeren Vergangenheit war dieser Landstrich eine Hochburg des ehemaligen Premiers Thaksin Shinawatra und seiner Schwester Yingluck, die bis kurz vor dem Militärputsch, den ich zwei Wochen nach meiner Ankunft hier miterlebte, die letzte legal gewählte Premierministerin Thailands war.
Beide waren im Isaan auch deshalb so populär, weil sie während ihrer Amtszeiten den verarmten Reisbauern dieser Region großzügige Subventionen in Form von ‚Dorffonds’ und günstigen Krediten bei den Banken gewährten.
Diese Unterstützungsfonds- und -kredite wurden nach Ablösung der Regierung Yingluck Shinawatras ebenso eingestellt wie die großzügige Bezahlung der Reisbauern bei Ablieferung ihrer Ernte an den staatlichen Wiege- und Lagerungsstationen im Lande. In der letzten Ernteperiode im Winter 2014/15 bekamen die Bauern für ihren Reis so wenig Geld wie seit acht Jahren nicht mehr.
Auf der anderen Seite stiegen die Lebenshaltungskosten allein in den letzten fünf Jahren um ca. 9 % (Quelle: Bureau of Trade and Economic Indices, Thailand). In einem Interview bestätigte das der Bürgermeister der Stadt Khon Kaen Teerasak Teecayuphan: „Die Leute beschweren sich über die steigenden Lebenshaltungskosten, sie haben kein Geld mehr, das sie ausgeben können.“
Und als Konsequenz setzte er dann hinzu: „Sie werden irgendwann ihre Geduld verlieren. Früher oder später wird dieser Topf überkochen.“ (TIP Nr. 11/ vom November 2015)
Hinzu kommt die gravierende und zunehmende Verschuldung der Reisbauern. Dieselbe Zeitung zitiert den Reisbauern Khamkong Banphod aus der Nähe von Udon Thani: „Ich muss Geld leihen, um einige Schulden zurückzuzahlen. Es geht den Leuten schlecht, die viel investierten und jetzt Geld verlieren. Sie haben ein Schuldenproblem und ärgern sich über die Regierung.“
Ich schrieb bereits vor Monaten, wie voll die Hallen der Gebrauchtwagenhändler um Udon Thani sind, wie günstig zum Teil Häuser zu kaufen sind... und wie viele Bauern Land verkaufen müssen, um ihre Schulden zurückzahlen zu können.
Die Trockenheit im Sommer und die spät einsetzende Regenzeit wird ein Übriges zu der Krise beitragen.

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Khao Niao-Feld in der Nähe unseres Hauses am Rand von Ban Phue

Alle warten darauf, dass die Militärregierung etwas unternimmt?!
Personell hat sie im August den schon unter Thaksin als stellvertretender Premierministers tätigen Wirtschaftspolitiker Somkid Jatusripitak zurück ins Kabinett geholt in der Erwartung, dass er als ,Economic czar’ (Ökonomiezar, lt. Nikkei Asian Review) die lahmende Konjunktur wieder ankurbelt. Darauf hoffen besonders die 40% aller Arbeitskräfte Thailands, die auf dem Lande beschäftigt sind.
Somkid ist klar, was das für das gesamte ‚System’ bedeutet, wenn er zugibt:
„Sie leiden! Wenn diese Menschen nicht genügend Kaufkraft haben leidet das gesamte System darunter.“
Im September wurde nun ein Investitions-Paket zur Stimulierung der Wirtschaft beschlossen, um Thailand aus der Wirtschaftsflaute zu führen. Es beinhaltete eine Wiederbelebung der bereits unter der Regierung Thaksins gewährten Dorf-Fonds und Kleinkredite in Höhe von 60 Millarden Thai Baht (THB) (~ 1,5 Mrd. €). Für die Amphoes (Gemeinden) sollen 36 Millarden THB bereitgestellt werden (~ 943 Mio. €) und für kleinere Einzelprojekte stehen noch einmal 40 Milliarden THB (~ 1,05 Mrd €) zur Verfügung. Sinn der Maßnahme ist – entsprechend der Wirtschaftslehre des britischen Ökonomen J.M. Keynes (1883 - 1946) – die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch Ankurbeln von Investitionen, Produktion und Beschäftigung.
Leider haben die bei der Umsetzung keynesianischer Konjunkturpolitik in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen in den meisten Ländern gezeigt, dass sich dieses Konzept in der Praxis kaum realisieren lässt und längerfristig zu chronischen Staatshaushaltsdefiziten führt.
Das scheint im Moment sekundär zu sein! Die Regierung sucht nach einer Lösung, da die Menschen unruhig werden.
Sabina Shah, Aktivistin der Rothemden in Khon Kaen, sagte der Presse dazu:„Die Leute wollen demonstrieren, aber wir müssen auf den richtigen Auslöser warten. Wenn wir nur ein paar Leute sind, ist es Selbstmord. Wir bleiben einfach in Deckung und warten auf den richtigen Augenblick – wenn die Regierung zerstritten ist.“
Das richtet sich eigentlich gegen die Aufforderung Thaksins aus dem Exil, sich ruhig zu verhalten und sich ‚tot zu stellen’! Vermutlich hält er ‚seine Zeit noch nicht für gekommen’?!
Es gäbe aus dem Repertoire der von der Militärregierung ‚veranstalteten’ Politik noch mehr zu berichten, das würde aber den Rahmen dieser kleinen Berichte aus ‚Hinterindien’ sprengen.

Der Berichterstattung über die menschenverachtenden Anschläge in Europa – besonders die in Paris – wurde hier viel Beachtung und ein breiter Raum der Nachrichten im Fernsehen eingeräumt.
Allein, private Äußerungen Einzelner zum islamistischen Terror sind mir hier noch nicht zu Ohren gekommen. Europa ist eben weit weg!!
Einzig die Anwohner um die Französische Botschaft in Bangkok haben Angst um Hab, Gut und Leben, da sie fürchten, vor Ort in Anschläge und militärische ‚Scharmützel’ der IS mit hineingezogen zu werden?!
Auch ich fürchte, spätestens Mitte kommenden Jahres bei meiner Rückkehr ein anderes Europa vorzufinden, als ich es im vergangenen August verlassen hatte?!!

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