HELMUT RIELÄNDER
Malerei, Grafik und Installationen

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Südostasiatische Notizen

Kaufen, Geld auszugeben, bedeutet hier sanuk (Spaß haben, sich wohl fühlen). Geplant wird hier weniger. Was habe ich hier schon für Streit mit Rei gehabt ‚des lieben Geldes’ wegen! Rücklagen bilden, Geld für eine geplante Anschaffung zurückzulegen oder tatsächlich zu sparen, all das ist weitgehend unbekannt hier! Es wird angeschafft und abgestottert.
Volkswirtschaftlich betrachtet hat die Verschuldung der Haushalte in Thailand problematische Ausmaße erreicht. Per Ende letzten Jahres erreichte deren Gesamtschuld die Quote von 85,9% des BIP. Damit liegt das Land (zusammen mit Malaysia) nicht nur an der Spitze in Asien; man weist auch die größte Steigerung aus. Gemäß den Prognosen des National Credit Bureau (NCB) ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Schwelle von 90% erreicht wird. Das sind Werte, die weit über den entsprechenden Zahlen von Industrieländern liegen.
Als ich im Mai letzten Jahres bei Gebrauchtwagenhändlern an den Ausfallstraßen Udon Thanis nach gebrauchten Pickups Ausschau hielt, waren zu neunzig Prozent relativ neue Fahrzeuge im Angebot, bei deren Anschaffung sich die Käufer finanziell übernommen hatten. Meist sind die Kalkulationen – wenn es hier überhaupt so etwas gibt – sehr knapp... und wehe, es gibt eine Missernte, Scheidung oder sonstige Unbill. Als erstes ist dann das Auto weg!
Beim Thema Geld verleihen – und das gilt auch für Ausleihen in der Verwandtschaft (einschließlich Beziehungs- oder angeheiratete Verwandtschaft) – ist es zumindest bei größeren Beträgen ratsam, nur mit Vertrag zu verleihen! Dem Gläubiger muss klar sein, dass der Schuldner keinen Plan für die Rückzahlung des geliehenen Geldes hat. Ich hörte auch Warnungen, dass von vorne herein auch nicht unbedingt eine Absicht bestehe, das geliehene Geld an den Leihenden zurückzuzahlen (das gilt für Thais untereinander und insbesondere, wenn sie sich etwas vom Farang leihen)! So unterschiedlich können die Geld-Leih-Kulturen sein!

Zurück zur Familie: für alle Thais gilt wohl, dass die Familie, in die sie hineingeboren werden, den Mittelpunkt ihres Lebens bedeutet. Festzustellen ist das insbesondere bei größeren Festen, die meistens im Verbund der Großfamilie gefeiert werden, wie Songkran (Thai-Neujahrsfest), Khao Phansa (Beginn der buddhistischen Fastenzeit im Juli), Ok Phansa (Ende der Fastenzeit im November), aber auch beim Kau-dau (Countdown), unserem Silvester und Neujahrsfest, das hier mit viel Alkohol und Tanz begangen wird.

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In den Familien wird das jüngste Kind in der Regel sehr verhätschelt und umsorgt. Mit den Eltern verbindet mehr oder weniger alle Kinder eine ewige Dankbarkeit, Respekt und Liebe. Anders als ‚bei uns’ in den westlichen Ländern, bleiben die Thais ihrer Familie und ihren Eltern ihr Leben lang verbunden. Das gemeinsame Leben im Elternhaus oder in der Nähe der Eltern ist auf dem Lande immer noch die Regel, auch wenn die Kinder eine Zeit lang in den Städten oder im Ausland arbeiten gehen. Eine Selbstverständlichkeit ist die finanzielle Unterstützung der Eltern, der daheim Gebliebenen, durch ihre erwachsenen Kinder. Die monatliche Rente ‚der Alten’ (Reis Eltern erhielten zusammen umgerechnet 30 € pro Monat) reicht zum Leben nicht aus, trotz Selbstversorgung aus der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.

Wenn jemand in der Familie in Not ist oder Hilfe benötigt, sei es nur, irgendwo hin chauffiert zu werden, Einer ist immer zur Stelle. Dafür wird insbesondere von vermeintlich gutbetuchten ‚Farangs’ gern ein pekuniärer Ausgleich erwartet. Das galt auch für mich, bevor ich durch Kauf eines eigenen Fahrzeugs unabhängig wurde.
Danach, als ich meinen eigenen Pickup besaß, wurde ich als Chauffeur gebeten – natürlich unentgeltlich, versteht sich. Ich war dann schon glücklich, wenn ich von den wenigen ‚Wohlerzogenen’ (Otai, Mon und Noung) ein ‚Dankeschön’ zu hören bekam. Das ist hier überhaupt nicht selbstverständlich!! Auch Begrüßungen kennt man hier auf dem Lande eigentlich kaum! Bei ‚uns’ gilt: ‚Moin, sagt der Bauer, wenn er irgendwo rein kommt!’. Hier sind Begrüßungen eher die Ausnahme und Rei hatte einigen Erklärungsaufwand, um Nachbarn und Verwandten die unterschiedlichen Gepflogenheiten zu verdeutlichen! Ich ziehe es bis heute stur durch, jeden mit einem ‚Sabadi khrab’ zu begrüßen.

Die Familienbande sind sehr eng und haben die Jahrzehnte und Jahrhunderte überdauert. Auch in der Politik und bei den zu besetzenden Posten im Öffentlichen Dienst sowie in der Wirtschaft sind deren Auswirkungen unverkennbar. Zuletzt war das zu sehen am Beispiel der Familie Shinavatra, allen voran Thaksin (zuvor Unternehmer, von 2001 bis 2006 Ministerpräsident), seinem Schwager Somchai Wonsawat (2008 Ministerpräsident), oder seiner Schwester Yingluck (von 2011 bis 2014 Ministerpräsidentin). Sie ist durch den Putsch am 22. Mai letzten Jahres abgesetzt worden.

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